Allgegenwärtig scheint die Lethargie der Deutschen vor der Wahl. Ob nun Intellektuelle oder aber ein Ulf Poschardt, sämtliche Eingeweideschauer flüchten sich wahlweise in Kritik an Merkels ‘asymmetrischer Demobilisierung’ oder in hanebüchene psychologische Deutungen:
“Deutschlands Intelligenz ist narzisstisch gekränkt.”
Klar, Ulf, wer im Glashaus sitzt … aber gut, lassen wir das. Das Phänomen wäre eigentlich ganz einfach zu erklären. Keines der angebotenen Politikmodelle – ob nun eine schwarzgelbe Fortsetzung des politischen Elends oder aber ein rotgrüner ‘Beglückungsstaat’ – keines der großen ideologischen Modelle, die nach Ansicht der Strategen diesen Wahlkampf bestimmen sollen, kann die Wähler in der Masse magnetisieren und auf Linie bringen. Weil beides entweder längst unrealistisch scheint oder aber eine gesellschaftliche Katastrophe wäre.
Die Bürger wünschen sich schlicht nach der Wahl eine große Koalition. Das zeigen alle Umfragen. Es wäre also sehr wohl eine Wechselstimmung da: Zurück zum Bewährten, zu dem, was man bei der letzten Wahl noch so schnöde verschmähte, zurück in jene gute, alte Zeit, als die beiden bewährten Kaltblüter den Karren zogen:
“Die Deutschen wollen eine Große Koalition.”
Weil diese Alternative aber nirgends ernsthaft kommuniziert wird, deshalb ist die Lähmung so groß. Deshalb entwickelt der Wahlkampf keinen ‘Drive’. Es wird – nicht nur in den Medien – so getan, als sei rotgrün weiterhin irgendwie eine realistische Möglichkeit, oder aber als sei eine Fortsetzung von Schwarzgelb für die Mehrheit irgendwie wünschenswert. Die Tigerenten-Koalition wollen faktisch nur noch 17 Prozent der Deutschen weiterregieren sehen, bei Rotgrün sieht es übrigens haargenau so aus. Die Journalisten beteiligen sich damit an einer publikumsfernen Geisterdebatte.
Die politische Aufgabe der Publizistik – als Dienstleister einer Mehrheit im Publikum – bestünde unter diesen Umständen doch eher darin, den Weg zu dieser gewünschten großen Koalition aufzuzeigen. Da die Union ohnehin jenseits von Gut und Böse in Muttis kuscheligem Umfragehoch treibt, hieße dies: Entweder die FDP unter die immer noch unverdienten fünf Prozent zu schreiben, bzw. die SPD emporzujazzen, oder aber einer kleineren Partei über diese fünf Prozent zu helfen. Wahlweise also den Piraten – oder von mir aus auch der AfD. Sollen sie doch ein paar Jahre Diäten kassieren! Weil nämlich mit einer sechsten Partei im Parlament jede schwarzgelbe Mehrheit sofort die arithmetische Plausibilität verliert.
Ein solcher Wahlausgang, der dann auch den Wünschen des Souveräns entspräche, der wird aber nirgends thematisiert. Stattdessen wird eine faktenenthobene Geisterdebatte geführt, befeuert natürlich auch von schwarzgelben Spin-Doktoren: Rotgrüner Umverteilungsstaat gegen schwarzgelbe Froihoit. Bei der Richtungslosigkeit der Publizistik, bei diesem Verlust jeder Peilung, besteht allerdings die große Gefahr, dass wir diese Froihoit tatsächlich weiterhin bekommen könnten. Und dann? Oops – wrong country?
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