Gute Fragen werden oft nicht gestellt … wer also rätselt, weshalb die derzeitige Abmahnwelle raffigieriger Kanzleien vor allem Bildrechtsverletzungen betrifft, der stößt schnell auf einen grundlegenden Unterschied zwischen Wort und Bild: Ein Text lässt sich zitieren, ein Foto nicht. Betrachte ich diese Differenz als des “Pudels Kern“, kann mir die fidele Verwertungsgemeinschaft ‘Goethes Erben & Co KG’ dafür keinerlei Abmahnschreiben ins Haus schicken, obwohl es sich doch eindeutig um eine Faust-Reminiszenz handelt. Ebenso darf ich weiterhin ganz unbefangen von einer “Johurnaille” reden, auch wenn das Wort auf dem fruchtbaren Mist des Ingolstädters wuchs. Es gibt keinen ‘Besitz’ an Wörtern, allenfalls Firmennamen sind geschützt.
Auch Neologismen frisch aus dem Ofen – eine dahergeklimperte “Emmentaler-Argumentation”, “das Eigendumm”, “die Dorfbuurgeoisie”, “der Liberaltismus”, “das Porkfolio” – die stünden vom Moment ihrer Geburt an unter keinerlei Schutz des Gesetzgebers, sie wären sofort eine kurrente Münze, sofern jemand diesen Stuss überhaupt nachplappern will.
Mit einem Wort: Die Sprache ist eine durch und durch gesellschaftliche Veranstaltung, wo nirgends Schilder mit der Aufschrift ‘Privat’ stehen DÜRFEN, weil sonst die Funktion des Systems behindert wäre. Allenfalls genießen längere Texte einen gewissen Schutz vor Plagiatoren wie dem Guttenberg, vor Figuren also, die nie im Leben etwas Eigenes aufs Papier zu bringen vermöchten. Bei dieser Form des Schutzrechtes handelt es sich also vor allem um die gesellschaftliche Abwehr von ‘Blendern’ und Betrügern.
Gerade wegen dieser durch und durch gesellschaftlichen Fundierung der Sprache ist ja auch der Kampf der Verleger gegen Textausrisse oder ‘Snippets’ so irre, weil sie keinerlei Begriff von der Funktion einer Sprache zu haben scheinen. Die Folgen sind eigentlich jedem klar: Entweder sie verabschieden sich mit ihrem Medium aus dem Diskurs oder sie behindern die allgemeine Kommunikation. Produktiv sind sie in keinem Fall.
Kurzum: Copyright ist deshalb nicht gleich Copyright, weil ein Bild niemals die Flughöhe eines Wortkunstwerkes erreichen kann – was wiederum mit dem kollektiven Charakter der Sprache zusammenhängt. Niemand würde sich ein Wort übers private Sofa pinnen, aber privatisierte Bilder hängen dort oft. Dass die Sprache allen gehört, zählt zu ihren Funktionsbedingungen. Würde sie jemals von Abmahnwälten parzelliert, dann hätten wir zwar einen Kleingartenverein, jedes Verständnis untereinander aber wäre sofort dahin. Auch so etwas gibt es vor allem in hirnvernagelten Kleingärtnervereinen, die da meinen, diese Welt wäre eine Privatveranstaltung, so auch in dem Schrebergarten ‘Zum florierenden Paragraphenritter’, den ich eingangs erwähnte …
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